Prinzipien für Kinder- und Jugendbeteiligung

Junge Menschen (unter 30 Jahren) sind keine homogene Gruppe und spiegeln die Vielfalt der Gesellschaft wider. Daher müssen sie in ihrer Diversität wahrgenommen und adäquat berücksichtigt werden. Diversitätsmerkmale werden dabei in ihrem Zusammenspiel in den Blick genommen (Intersektionalität).

Folgende Aspekte können dabei eine Rolle spielen: Ethnische Herkunft, Geschlecht, sexuelle Orientierung, geistige und körperliche Fähigkeiten, Alter, nationale Herkunft, Hautfarbe und soziale Herkunft (= innere, nicht veränderliche Dimensionen) sowie sozioökonomischen Hintergrund, Bildungsniveau, Wohnort, Familienstand, religiöse Zugehörigkeit und Weltanschauungen (= äußere, veränderliche Dimensionen).

Die nachfolgenden Prinzipien für wirksame Kinder- und Jugendbeteiligung zeigen auf, welche Aspekte zu berücksichtigen sind. Ihre Reihung folgt einer alphabetischen Ordnung und stellt keine Priorisierung dar. Die konkrete Umsetzung ist für jedes Beteiligungsformat individuell anzupassen, auszuformulieren und zu gestalten, wobei angestrebt werden soll, die Prinzipien so umfassend wie möglich umzusetzen.

Die Liste der Qualitätsprinzipien steht auch als übersichtlicher Download (pdf, 290KB) zur Verfügung.

Informationen, Aktivitäten und Veranstaltungsorte werden so gestaltet, dass sie für alle interessierten Kinder und Jugendlichen ohne Barrieren und Kosten zugänglich sind.

Zu den Beteiligungsangeboten wird offen eingeladen. Es werden dabei unterschiedliche Arbeitsformen gewählt, um junge Menschen in ihrer Vielfalt anzusprechen.

Es wird besonders darauf geachtet, dass die aktive Beteiligung von (sozial) benachteiligten Gruppen sowie von jungen Menschen mit Behinderungen gezielt unterstützt und gefördert wird.

Die Unterstützungsbedarfe der Teilnehmenden werden im Vorfeld erhoben und in allen Phasen – von der Planung über die Durchführung bis hin zur Nachbereitung – berücksichtigt.

Die zeitlichen Rahmenbedingungen werden so gestaltet, dass möglichst viele junge Menschen teilnehmen können.

Alle Informationen werden für alle Involvierten verständlich kommuniziert, so dass der Beteiligungsprozess und die Inhalte für sie nachvollziehbar sind.

Barrierefreie Kommunikation wird auch bei Dokumentation und Öffentlichkeitsarbeit berücksichtigt. Auch bei digitalen Angeboten wird darauf geachtet, dass diese für alle Beteiligten zugänglich und nutzbar sind.

Die für die Organisation verantwortlichen Personen klären vorab die zeitlichen, personellen und finanziellen Ressourcen und legen den Rahmen für den Beteiligungsprozess fest. Sie stellen die Verbindung zu den Entscheidungsstrukturen (Politik, Verwaltung, Schulen etc.) her und sorgen für kinder- und jugendgerechte Abläufe.

Personen mit entsprechender pädagogisch-methodischer Ausbildung oder Erfahrung begleiten und unterstützen die jungen Teilnehmenden und sorgen im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Einhaltung eines Schutzkonzepts. Sie sind auch dafür verantwortlich, alle Beteiligten von Beginn an transparent hinsichtlich Intentionen und Zielen des Beteiligungsprozesses zu informieren.

Die Vielfalt der Perspektiven wird als Bereicherung für den gesamten Prozess angesehen. Alle jungen Teilnehmenden werden bedarfsgerecht unterstützt. Niemand wird aufgrund individueller Merkmale hervorgehoben, in eine spezielle Rolle gedrängt oder mit zusätzlichen Erwartungen belastet.

Es wird darauf geachtet, niemanden auszuschließen und allen die Möglichkeit zur Beteiligung zu geben. Damit alle Stimmen gehört werden, werden gezielte Maßnahmen ergriffen, um unterrepräsentierte Gruppen einzubeziehen. Um ein inklusives Umfeld zu schaffen, sollte sich Vielfalt nicht nur bei den Teilnehmenden, sondern auch bei den Begleitpersonen widerspiegeln.

Die Schritte und Ergebnisse des Beteiligungsprozesses werden laufend dokumentiert und allen Beteiligten in verständlicher, nachvollziehbarer und transparenter Form zur Verfügung gestellt.

Rückmeldungen aller Beteiligten zu den Rahmenbedingungen, dem Verlauf und den Ergebnissen werden eingeholt und berücksichtigt. Alle Erfahrungen – ob Probleme, Herausforderungen, Erfolge und Misserfolge – können auch für zukünftige Beteiligungsprozesse genutzt werden.

Im Beteiligungsprozess wird das gesamte Umfeld berücksichtigt (z.B. kommunale Politik, andere Nutzende des öffentlichen Raums, lokale Vereine und Institutionen).

Je nach Alter und den Bedürfnissen der jungen Teilnehmenden erhalten Angehörige und Betreuungspersonen einen transparenten Zugang zu Informationen über den Beteiligungsprozess.

Kinder und Jugendliche verfügen über wertvolle Expertise zu ihrer eigenen Lebensrealität.

Die Erfahrungen aller Beteiligten werden respektiert und in den Beteiligungsprozess einbezogen, solange diese im Einklang mit Grundsätzen wie Respekt, Vielfalt und Demokratie stehen.

Bei Bedarf wird fachliche Expertise in der Planung, Umsetzung sowie Nachbearbeitung hinzugezogen.

Kinder und Jugendliche nehmen freiwillig und selbstbestimmt teil. Dies impliziert auch die Möglichkeit, jederzeit auszusteigen.

Sie entscheiden selbst, auf welche thematischen Aspekte sie einen Fokus legen möchten.

Die jungen Teilnehmenden bestimmen maßgeblich, welche Ergebnisse am Ende des Beteiligungsprozesses festgehalten werden.

Während des Beteiligungsprozesses findet ein Austausch auf Augenhöhe zwischen Teilnehmenden unterschiedlicher Altersgruppen statt.

Dieser Dialog fördert das gegenseitige Verständnis für die unterschiedlichen Bedürfnisse und Sichtweisen der verschiedenen Generationen.

Beteiligung ist ein kontinuierlicher Prozess – unabhängig davon, ob es sich um eine einmalige Aktivität oder ein komplexes, langfristiges Projekt handelt.

Jedes Beteiligungsangebot umfasst eine Vor- und Nachbereitung sowie eine stetige Einbindung aller Beteiligten. Die für die Organisation verantwortlichen Personen stellen sicher, dass die Themen und Empfehlungen der jungen Menschen z.B. an politisch Verantwortliche weitergetragen und so wirksam werden können.

Um den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen gerecht zu werden, werden verschiedene Methoden und Ansätze eingesetzt. Besonders Methoden des non-formalen Lernens finden Anwendung, da sie durch ihre aktivierende und abwechslungsreiche Gestaltung die Beteiligung fördern.

Die gewählten Methoden tragen dazu bei, den Beteiligungsprozess lebendig zu gestalten und gleichzeitig den inhaltlichen Fokus beizubehalten. Ein zentrales Ziel ist es, Motivation und Engagement zu stärken, indem altersadäquate Methoden gewählt werden, die inklusiv und ansprechend für junge Menschen sind. So können alle Teilnehmenden ihre eigenen Stärken entdecken und weiterentwickeln.

Der Beteiligungsprozess und seine Ergebnisse werden öffentlich sichtbar gemacht, um die Anliegen der jungen Menschen in die Gesellschaft zu tragen.

Dafür werden verschiedene Kommunikationskanäle, wie soziale Medien, Pressemitteilungen und öffentliche Veranstaltungen genutzt, um die breite Öffentlichkeit zu informieren.

So wird sichergestellt, dass die Anliegen und Meinungen der jungen Menschen nicht nur im Beteiligungsprozess berücksichtigt, sondern auch in der Gesellschaft sichtbar werden.

Während des gesamten Beteiligungsprozesses werden Räume für Begegnungen geschaffen, entweder vor Ort oder im digitalen Format.

Dies kann von vorab eingerichteten Kommunikationskanälen, Kennenlerntreffen vor der Aktivität bis hin zu ausreichend Zeit für informellen Austausch im Programm der Aktivität reichen.

Diese Begegnungsräume sind nicht nur ergänzende Elemente, sondern tragen wesentlich zum Erfolg des Beteiligungsprozesses bei. Sie erleichtern es den jungen Teilnehmenden, Vertrauen zueinander aufzubauen und zusammenzuarbeiten.

Es liegt in der Verantwortung der für die Organisation verantwortlichen Personen, die notwendigen Rahmenbedingungen für einen respektvollen Umgang zu schaffen.

Die Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten basiert auf einem Dialog auf Augenhöhe, bei dem unterschiedliche Meinungen ernst genommen und gewürdigt werden.

Dabei wird auch die investierte Zeit der jungen Menschen, die sich freiwillig und oft in ihrer Freizeit engagieren, angemessen wertgeschätzt.

Kinder und Jugendliche sind in allen Phasen eines Beteiligungsprozesses aktiv beteiligt und erleben bewusst, wie sie mitgestalten können.

Eine qualifizierte Begleitung unterstützt die jungen Teilnehmenden dabei, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu stärken und lösungsorientiertes Denken und Handeln zu fördern.

Positive Erfahrungen und (Teil-)Erfolge werden sichtbar gemacht und gefeiert.

Beteiligung braucht einen sicheren Rahmen. Das bedeutet: ein unterstützendes Umfeld, ein respektvolles Miteinander und die Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse der Teilnehmenden.

Um dies zu gewährleisten, kommt unter anderem ein entsprechendes Schutzkonzept zum Einsatz. Dieses beinhaltet Vorkehrungen gegen sämtliche Formen von Gewalt und Diskriminierung sowie Handlungsanleitungen für den Bedarfsfall.

Alle Involvierten werden über das Schutzkonzept informiert und aufgefordert, sich zum Einhalten zu verpflichten. Zusätzlich stehen bei Aktivitäten Ansprechpersonen zur Verfügung, die auf die Einhaltung des Schutzkonzeptes achten.

Kinder und Jugendliche werden zum eigenständigen, politischen Denken angeregt und nicht für politische Richtungen vereinnahmt.

Es besteht Überparteilichkeit in Bezug auf politische Parteien, Konfessionen oder weltanschauliche Positionen.

Die für die Organisation verantwortlichen Personen unterstützen die jungen Teilnehmenden, indem sie eine (reflektierte) Parteilichkeit für ihre Bedürfnisse und Interessen einnehmen.

Die für die Organisation zuständigen Personen klären zu Beginn des Beteiligungsprozesses ab, welchen Grad der Verbindlichkeit die Ergebnisse haben können und kommunizieren dies transparent an alle Beteiligten.

Die von den jungen Teilnehmenden erarbeiteten Ergebnisse werden nachvollziehbar festgehalten und zugänglich gemacht.

Die Bereitstellung der für die Umsetzung der Ergebnisse notwendigen Ressourcen liegt in der Verantwortung der organisatorisch oder politisch verantwortlichen Personen.

Weiterführende Informationen

Hier finden Sie zu einigen Begriffen, die in den Prinzipien für Kinder- und Jugendbeteiligung verwendet wurden, ausführlichere Informationen.

Altersdefinitionen: Wir verweisen an dieser Stelle auf das hilfreiche Factsheet des Komitees für Kinder- und Jugendgesundheit, in dem erläutert wird, warum es manchmal sinnvoll sein kann Altersgrenzen zu überdenken und ggf. auszudehnen. Hier geht’s zum Factsheet (pdf).

Diversität:

Partizipationsmodelle

  • Lundy-Modell: Prof. Laura Lundy (Queen’s University Belfast) zeigt auf, wie man Kinder in Gespräche über ihre Rechte einbeziehen und in vier Hauptbereichen (Space, Voice, Audience, Influence) sicherstellen kann, dass das Recht der Kinder, gehört zu werden, in die Praxis umgesetzt wird. Ausführliche Informationen auf Englisch finden sich auf der Website der European Children’s Participation Platform.

  • Partizipationspyramide: Das Modell von Straßburger und Rieger betrachtet Partizipation sowohl aus der Perspektive von Institutionen als auch aus der der Bürgerinnen und Bürger. In der Pyramide wird Partizipation in bis zu sieben Stufen je nach Grad der jeweiligen Einflussmöglichkeiten unterteilt. Auf der dazugehörigen Website gehen Straßburger und Rieger auch auf grundlegende Definitionen und Vorstufen der Partizipation ein. Hier geht’s zur Partizipationspyramide.